Cranborne Audio EC1 - Der erste und vermutlich letzte ?
Cranborne Audio Camden EC1
Cranborne Audio ist ein relativ junger britischer Hersteller und wird in Deutschland von Mega Audio vertrieben. Beworben wird der neue EC1 Pre-Amp voller Selbstbewusstsein als der erste und vermutlich letzte Pre-Amp, den man je kaufen würde. Ob diese Aussage dem Test Stand halten kann oder eher einem Höhenflug ähnelt, werden wir prüfen.
Lieferumfang
Der EC1 ist sicher verpackt in einem unspektakulären Hartpappkarton mit stoßisolierenden Schaumstoffhalterungen, damit der EC1 nicht im Karton aufliegt. Auf interne Stromversorgung wurde aus Platzgründen verzichtet und man setzt auf einen mitgelieferten AC/DC-Adapter mit Anschlussmöglichkeiten für amerikanische und europäische Netzstecker (IEC-Anschluss), die beide im Lieferumfang enthalten sind. Zudem gibt es einen Quick Guide und noch vier kleine Gummifüße, die einfach und effizient für einen guten Stand und Entkopplung auf und vom Schreibtisch sorgen.
Design und Haptik
Der EC1 ist für den Schreibtisch gedacht; Rack-Schienen sucht man vergeblich, kann man aber optional erwerben. Der 2,8 Kilogramm leichte EC1 ist kompakt mit 22 Zentimetern Breite, 4,445 Zentimetern Höhe (entspricht genau einer Rack-Höheneinheit) und 24 Zentimetern Tiefe. Mit den optionalen Rack-Schienen nimmt er 48,1 Zentimeter – also eine 19-Zoll-Rack-Einheit – ein.
Der Pre-Amp im handlichen Format richtet sich unter anderem an die Musiker, die entweder unterwegs oder zu Hause im Home-Studio ihr einfaches Interface klanglich als auch Featuretechnisch aufwerten wollen und auf eine erstklassige Monitoring-Situation Wert legen. Dazu später mehr.
Vorderseite
Passend dazu befinden sich Pre-Amp-Sektion, Hi-Z/Line-Eingang, External-in, Kopfhörerausgang und der bei Aktivierung blau leuchtende Power-Schalter auf der Vorderseite. Der XLR-Input hätte auf Kosten des Power-Schalters und des External-in eventuell auf die Frontseite gepasst. Doch die rückseitige XLR-Anbindung ist häufiger Standard bei Pre-Amps und Interfaces, daher kann man damit gut leben. Der EC1 ist ein Pre-Amp für ein Signal. Für Stereoaufnahmen muss man zum größeren Bruder EC2 greifen. Häufig streiten sich die Geister, ob ein Pre-Amp total neutral oder färbend sein soll. Bei Cranborne Audio hat man zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen und einen Mojo-Regler mit Blend- oder Off-Funktion verbaut. Hier offenbart sich eine der größten Besonderheiten für den EC1.
Mojo-Sättigung
Der Mojo-Control-Regler bestimmt das Level der analogen Saturation und lässt sich mit einer einrastenden Off-Stellung im Signalweg bypassen. Mit dem zugehörigen Mojo-Switch wechselt man zwischen den beiden Stilen „Thump“ und „Cream“. Darüber befindet sich eine kleine LED-Leuchte, die das Level-Metering auf spartanische Weise anzeigt.
Neben der Mojo-Sektion befindet sich ein schaltbarer Phasendreher und ein HPF-Filter, der bei 80 Hz bei –3 dB mit folgender 12 dB/Oktave Absenkung greift. Der folgende Gain-Regler ist 12-fach gerastert und reicht bis zu 68,5 dB Maximum von acht dB Minimum in 5,5-dB-Schritten, was einen durchschnittlichen Wert für Pre-Amps dieser Preisklasse darstellt. Daneben befindet sich ein Dreifach-Schalter zur Wahl des Input-Typs (Mic, Line, Hi-Z), ein 48-V-Schalter und der Klinke-Input (6,35 mm) für Hi-Z und Line runden die Pre-Amp-Sektion ab. Cranborne Audio hält uns eine LED für die Phantomspeisung bereit. So lange Orange leuchtet, lädt oder entlädt sich die Spannung, sodass man hier nicht das Mikrofon stecken oder ziehen sollte. Brauchbares Detail!
Rechts auf dem Front-Panel befindet sich die Monitoring-Sektion. Der Kopfhörerausgang klingt fantastisch und bedient gleich zwei Bedürfnisse. Einerseits kann man direkt im Raum beim Positionieren der Mikros die resultierenden Klangveränderungen gegenchecken. Andererseits kann man mit hochqualitativen Pre-Amp-Sound und einer Latenz von null seine Performance während des Recordings sehr einfach abhören.
Mit dem externen Input und dessen zugehörigem Volume-Regler kann man Playbacks von mobilen Endgeräten oder sonstiger analoger Klangquelle wie andere Musiker während des Recordings in Mono hören und das Verhältnis zwischen dem eigenen Gesang und dem Playback direkt auf der Frontseite einstellen. Die Zielgruppe kleiner Projektstudios wird dieses Feature zu schätzen wissen, da latenzbehaftete und mitunter nervige Monitoring-Einstellungen über die DAW entfallen.
Rückseite
Im Vergleich zum Front-Panel ist die Rückseite übersichtlicher gestaltet. Der Stromanschluss erfolgt über einen speziellen Vier-Pol-Stecker und dem eingangs erwähnten Adapter mit dessen IEC-Anschluss. Daneben liegen Stereo-AUX-Inputs mit Klinkenanschluss (6,35 mm) zur Verbindung mit Interface-Outputs, um so den EC1 mittels Kopfhörer als Referenzquelle nutzen. Das eignet sich vor allem bei Interfaces mit qualitativ schwächeren Headphone-Outputs. Die folgende RJ45-Cast-out-Buchse ermöglicht das Routen von vier analogen symmetrischen Signalen aus dem EC1 via Cat 5, Cat 6 oder Cat 7. Das möchte man beispielsweise, um andere Cranborne-Audio-Geräte anzubinden.
Die Outputs sind wahlweise eine XLR-3-M-Buchse oder eine große Klinke (6,35 mm) mit Dämpfungspad von –10 dB für folgende Interfaces/ Mischpulte/etc., die nur eine geringe Gain-Reserve vorweisen. Der Link-out im Großklinkenformat schleust das Signal am Pre-Amp und damit auch am Output vorbei und ermöglicht beispielsweise Re-Amping in Echtzeit. Das Ganze natürlich parallel zum Pre-Amp-Signal. Der XLR-3-F-Input befindet sich rechts auf der Rückseite.
Technisches
Der EC1 kann auf technischer Seite mit immens herausragenden Werten überzeugen. Der XLR-Input verfügt über 8,9 kOhm (48 V aus) oder 5,4 kOhm (48 V) und der Line-in über 24,3 kOhm sowie in der Hi-Z-Funktion über 1,5 MOhm bei unsymmetrischen Klinke-Inputs und sogar drei MOhm bei symmetrischen Ins. Kurzum: Es gibt viel mehr als ausreichende Impedanz für Mikrofone als auch Instrumentensignale, die bekanntermaßen viel höhere Widerstände als Mikrofonsignale erwarten. Das äquivalente Eingangsrauschen (Ein-Wert) wird bei einem normalen dynamischen Mikrofon mit 200 Ohm Quellimpedanz kleiner als drei dB sein, da wir < –129,5 dBu bei einer 150-Ohm-Quelle A-gewichtet im Datenblatt finden. Das ist ein professioneller Wert. Der Kopfhörerausgang verfügt über 0,33 Ohm und einen THD-Wert von 0,0003 Prozent. Der THD+N-Wert (bei 1 kHz, 35 db Gain, +24 dBu out) liegt bei weniger als 0,00025 Prozent. Wir haben es also mit ultrarauscharmen Outputs zu tun und das mit einem superlinearen Frequenzgang +/– 0,7 dB kleiner als ein Hz (!) und größer als 1000 kHz (!). Wow!
Getestet habe ich mit dem sE8 Klein-Kondensator-Niere-Mikrofon an einer Ibanez AAD-100E Akustikgitarre mit Stahlsaiten, um die Wirkung des Mojo-Reglers genauer zu überprüfen. Für Sprach- und Vocals-Test habe ich zum Audix CX-112B gegriffen. Bei deaktiviertem Mojo geht es clean und transparent zur Sache. Dennoch findet eine Aufwertung des Signals statt im Vergleich zu einem 150-Euro-Interface-Input, was wiederum auf die Qualität der verbauten Teile im EC1 zurückzuführen ist.
Die Aktivierung des Mojos setzt für meinen Geschmack nochmal einen drauf und bringt Höhenglanz und Pick-Attack zum Vorschein und befriedigt meine Erwartungshaltung an analoger Saturation. Mojo bringt das gewisse Etwas in den Klang, als würde ein EQ die genau passenden Frequenzen anheben und das Signal etwas „heißer“ machen. Das Ganze ist mit einem Drehregler von moderat bis extrem einzustellen.
Dabei entspricht der „Cream“-Charakter Vakuumröhren mit einem warmen Sound mit reichhaltiger angenehmer harmonischer Verzerrung. Die „Thump“-Position verändert den Pre-Amp-Charakter hin zu einem Transformer-Sound mit mehr Bottom-End. Gerade Akustikgitarre und Vocals können hier immens profitieren. Ein Rauschen lässt sich nicht feststellen. Wow!
Klang und Workflow
Wer also ein einfaches Interface hat und gerne das Signal mit hochwertigen Pre-Amps aufwerten möchte, der ist beim EC1 schon an der richtigen Adresse. Das gleiche Ergebnis erziele ich bei Vocal-Aufnahmen. Der Mojo-Regler macht den Klangcharakter reichhaltiger und druckvoller – abhängig von der Mojo-Intensität und der gewählten Klangcharakteristik. Der Kopfhörerausgang ist fantastisch. Die Auflösung der Signale klingt sehr de- tailgetreu und die Transienten-Wiedergabe sehr artikuliert.
Hat man sich einmal an diesen hochwertigen Klang gewöhnt, so möchte man sicherlich nicht mehr auf einem günstigen Interface abhören. Daher ist das AUX-in-Feature „Gold wert“. Man verbindet den Output des Interface mit den AUX-in den EC1 und kann seinen Mix über den qualitativen Kopfhörerausgang des EC1 mischen. Der Workflow mit einem External-in ist in einem Projektstudio sehr gut zu nutzen, sofern man eine externe Backing-Track-Quelle wählen möchte. Sinnvoller kann man diesen External-in nutzen, wenn man mit einem zweitem Musiker gemeinsam aufnehmen und dessen Lautstärke auf dem Kopfhörer lauter hören möchte.
Fazit
Die Firma Cranborne Audio ist jung und der EC1 immens hochwertig und die kaum zu glaubenden Messwerte spiegeln sich in der klanglichen Wahrnehmung wider. Die Klangqualität und die Verarbeitung sind erste Klasse. Wer Stereooptionen sucht, sollte sich nach dem größeren Bruder EC-2 im 19-Zoll-Rack-Format orientieren. Denn selbst in kleinen Projektstudios sind Stereoaufnahmen bei Akustikgitarren-Recordings oder gleichzeitigen Aufnahmen von Vocals und Akustik-gitarren mit jeweils einem Mikro keine Seltenheit. Der Link-out wie auch der High-Pass-Filter sind wichtige Details zur sofortigen Verbesserung des Workflows.
Es gibt absolut nichts zu meckern bei diesem Leckerbissen und vermutlich bleibt es wirklich der erste und Letzte Pre-Amp einiger Kunden – zumindest will man den EC1 nicht mehr hergeben!
Redaktion: Tobias Mertens, Recording Magazin 04/21
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