14.07.2017
Florian Kresse (FK), Business Development Manager für DPA, im Interview mit Kai Reiss (KR), Audio Engineer beim „Eurovision Song Contest 2017“. Kai Reiss berichtet in diesem Interview über den Einsatz der verschiedenen DPA-Mikrofone und seine Erfahrungen im Produktionsalltag. Im Einsatz bei „Eurovision Song Contest 2017“ sind die Gesangsmikrofonkapsel DPA d:facto, das Miniaturmikrofon DPA d:screet SC4060, das Headset DPA d:fine 4088 sowie das Intrumentenmikrofon DPA d:vote 4099. Lesen Sie spannende und interessante Einblicke in den Produktionsalltag von Kai Reiss beim „Eurovision Song Contest 2017“.
FK: Kai, für die, die Dich noch nicht kennen sollten, stell Dich vielleicht kurz vor.
KR: Mein Name ist Kai Reiss und ich wohne in der schönen Hafenstadt Hamburg. Ich bin Ende der 1980er Jahre langsam in diese Industrie über die Musik herein gerutscht, wobei die Branche damals ja noch lange nicht so industrialisiert war und die Crews zu großen Teilen ausschließlich aus Enthusiasten bestanden. Seit 1994 lebe ich hauptberuflich vom Audio Engineering als Mix- und System Engineer und seit der Jahrtausendwende der Bereich Planung und Design dazu gekommen. 12 Jahre war ich als Production Manager Audio erst bei Procon und später PRG tätig - dort hatte ich das große Glück, sowohl viele außergewöhnliche Produktionen betreuen zu dürfen und entsprechende internationale Erfahrungen sammeln zu können als auch sehr viele gute Kollegen kennen zu lernen. Gerade der letzte Punkt ist essentiell - neben zuverlässiger Technik ist ein exzellentes und ausgewähltes Team in allen Bereichen das Wichtigste, um eine solche Produktion umzusetzen.
FK: Vielen Dank. Bei dem Eurovision Song Contest ESC 2017 warst Du dieses Jahr hauptverantwortlich für das Gewerk Audio zuständig, sowohl in der Vorplanung als auch dann in Kiev vor Ort bei der Umsetzung. Wie kam es dazu?
KR: Ich habe meinen ersten ESC bereits 2008 in Belgrad betreut, ebenfalls als Head of Audio, danach war ich 2009 in Moskau als FOH-Engineer tätig und seit 2011 betreue ich regelmäßig Delegationen beim ESC - dazu kommt noch ein Junior ESC als System-Engineer auf Zypern. Ende Januar bekam ich dann einen Anruf vom Executive Producer Pavlo Grytsak und dem Head of Production Ola Melzig, ob ich kurzfristig zum Produktions-Team dazu kommen könnte, die Zeit drängte und es ging darum schnell zu Ergebnissen zu kommen. Die gesamte Produktion inklusive aller Bereiche und aller beteiligten Gewerke ist schon äußerst komplex und hat sich seit meiner ersten Begegnung 2008 erheblich weiterentwickelt.
FK: Eine solch große Produktion zu planen ist bestimmt eine spannende Herausforderung. Was genau war Deine Aufgabe?
KR: Als Head of Audio war ich zum einen für die gesamte technische Audio-Planung und das Erstellen von den notwendigen Ausschreibungs-Unterlagen für die Bereich Beschallung der Show als auch aller Nebenbereich sowie Broadcast zuständig. Darüber hinaus haben ich und mein Team uns um die Pre-Production der Multitrack-Stems gekümmert, um zum einen alle Multitrack-Sessions für die Show anzulegen und auch die benötigten 2Tracks + Timecode zum Pre-Programming für die Lichtabteilung & Video bereit zu stellen, die bereits am 13.03. in Hamburg im Studio begonnen wurden zu programmieren.
FK: Kannst Du kurz das Setup beschreiben? Wie groß war die Audio-Crew?
KR: Die Audiocrew bestand während der heißen Phase aus ungefähr 30 Personen. Wir haben insgesamt ca. 150 DPA-Mikrofone vor Ort eingesetzt. Ein sehr großes Augenmerk wurde auf die Betriebssicherheit und einen daraus resultierenden Redundanz-Gedanken gelegt - es haben aber alle verwendeten Komponenten zuverlässig bis zum Ende durchgespielt.
FK: Klingt sehr interessant. Wie bist Du auf DPA gekommen?
KR: Lars Lüdemann vom Deutschen Vertrieb Mega Audio hatte mir die d:facto bereits 2013 beim DEKT in Hamburg gezeigt und ich war nach der ersten Begegnung sehr angetan davon. Seit dem habe ich das d:facto II oft und gerne eingesetzt, ebenso wie 4060, 4066, 4088 oder 4099, welche zu meinen bevorzugten Mikrofonen für viele Anwendungen gehören.
FK: Welche Mikrofone von DPA waren im Einsatz und wofür?
KR: Wir hatten für alle Handheld-Gesangs-Mikrofone DPA d:facto-Kapseln sowie für alle Künstler, welche Headsets nutzen wollten, DPA 4088 im Einsatz. Auch die Moderatoren und Opening & Interval-Acts waren so ausgestattet - für letztere hatten wir noch DPA d:vote 4099 mit diversen Halterungen eingeplant. Auch in der Pressekonferenz in Halle 1 kamen DPA 4088 zum Einsatz. Außerdem haben wir noch DPA 4060 verwendet, mit denen mehrere Kollegen ausgestattet wurden. Diese dienten hauptsächlich dazu, dass der LD am FOH den Gesprächen seines Kollegen an der Bühne mit der Delegation bzgl. Änderungswünschen folgen konnte.
FK: Wieso hast Du Dich für DPA entschieden?
KR: Primär aufgrund der exzellenten Audioqualität der DPA-Komponenten und der Zuverlässigkeit! Das DPA d:facto ist für mich momentan die beste und flexibelste Kondensator-Kapsel am Markt. Ein großer Vorteil ist, dass man sich durch die erhältlichen Adapter für die jeweilige Situation ein Best-Of aus Kapsel und Übertragungstechnik zusammenstellen kann.
FK: Wieviele Zuschauer/Zuhörer waren es dieses Jahr? Der Ton in der Arena muss gut sein, der Künstler muss sich gut hören aber vor allem geht es natürlich um den Sendeton. Kann man überhaupt sagen, welcher Mix wichtiger ist oder Priorität hat?
KR: Wir hatten in der Halle Platz für 11.000 Zuschauer pro Show, es gibt ja drei Liveshows für das TV plus zusätzlich besuchte Proben, und ca. 200 Millionen Zuschauer im TV. Es beginnt natürlich damit, dass wir zuerst größtes Augenmerk darauf legen, dass die Künstler sich im Monitor wohl fühlen - das ist die Voraussetzung für eine gute Performance auf der Bühne und letztendlich für das Gesamtergebnis. Danach kommt der in 5.1 produzierte Sendeton gefolgt von der Beschallung - da die Delegationen das Geschehen live aus dem Green-Room schon während der Proben vor der Bühne verfolgen, wird der Beschallung im Gegensatz zu vielen anderen TV-Produktionen ebenfalls eine sehr hohe Priorität beigemessen. Im Vorfeld werden neben den Multitrack-Stems für die Musik-Playbacks auch Mix-Notes bei den einzelnen Delegationen abgefragt, um möglichst alle Mixe und Effekte so wie gewünscht im Vorfeld anlegen zu können.
FK: Gibt es eine spannende Backstage-Geschichte, die man so nicht erfahren würde, einen Helden, einen Retter der Show, oder lief alles planmäßig ab?
KR: Ola Melzig hatte im Vorfeld ein großes „Abenteuer“ versprochen - als solches kann man die Produktion im Nachhinein wirklich auch betrachten. Den einen einzelnen Retter gibt es so nicht, das gesamte Production-Team hat aber einen großartigen Job über den ja doch recht langen Produktionszeitraum geleistet. Dadurch dass man sich teilweise schon seit Jahren kennt und zusammen arbeitet, erleichtert es natürlich die Zusammenarbeit, um auch selbst kurzfristige Änderungen Gewerke-übergreifend umzusetzen. Gerade die Zusammenarbeit des internationalen Produktionsteams mit dem Team um LD Jerry Appelt und auch allen technischen Dienstleistern lief hervorragend.
FK: Gibt es für Dich persönlich noch eine Steigerung nach einer solch spannenden Produktion? Hast Du einen „Wunschkünstler“ oder eine Produktion, für die Du gerne mal arbeiten würdest?
KR: Selbstverständlich, die gibt es sicherlich sowohl im Bereich Special & Sport Events als auch im Bereich Concert Touring! Ich mag Herausforderungen und ungewöhnliche Aufgaben - sowohl im Bereich Management als auch als Audio-Engineer, und ich bin froh, in dieser Branche mit all ihren vielen Facetten und Kollegen tätig sein zu dürfen.
FK: Vielen, vielen Dank für Deine Einblicke in diese ganz besondere Produktion.
KR: Sehr gerne!
Wir danken Kai Reiss für die interessanten und spannenden Einblicke in seinen Produktionsalltag beim ”Eurovision Song Contest 2017”.
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