sE HB52 - Kleines Kunstwerk

Der neue Mundharmonkia-Sound-Gigant im Test!


Der Markt an Harp-Mikrofonen ist im Großen und Ganzen überschaubar. Und auch nur wenige aktuelle erhältliche Mikros können den bei vielen Harp-Spielern beliebten vintage harp mics das Wasser reichen. Die „Mikrofon-Restaurateure” von sE Electronics schicken mit dem HB52 einen heißen Kandidaten ins Rennen, der etwas Bewegung in den Vintage-Harp-Mic-Markt bringen dürfte.

Die besagten Vintage-Mikrofone sind beliebt, aber ihre Verfügbarkeit ist begrenzt. Es kann mitunter eine kostenintensive und aufwändige Sache werden sich auf internationalen Gebraucht-Plattformen eins nach dem anderen zu ersteigern. Die beratenden Sätze der Verkäufer gehen dann von „Es hat den einzig wahren vintage Chicago Tone, über „Leider habe ich nicht das richtige Kabel. um es zu testen.“, bis hin zu sonstigen Mutmaßungen, wie „mega-viel Ton und krasser Output“. Auch wenn gut gemeint, hilft das einem bei der Suche nach dem Sound nicht wirklich. Auch dann nicht, wenn der Sound wirklich nicht passt.
Selbst wenn es ein Verkäufer zurücknimmt, was selten der Fall ist, übernimmt er sicher nicht die Kosten für die Rücksendung und auf bereits bezahlten Gebühren und Zollabgaben bleibt man dann sitzen. Die Verfügbarkeit ist beim Harp Blaster 52 so einfach, als bräuchte man eine neue Mundharmonika. Einfach beim lokalen Musikalienhändler vorbeischauen, dort direkt kaufen oder bestellen. Keine speziellen Kabel mehr mit Steckern, die hier zu Lande kaum einer kennt und die man dementsprechend schwer bekommt oder sogar aus Übersee bestellen muss.

Die Diva im Innern

Wenn man endlich nach vielem Testen und Selektieren sein – in puncto Sound und Haptik passendes – Traum-Harp-Mikrofon gefunden hat, passiert es gerne, dass das Mikrofonelement im wunderschönen Gehäuse langsam stirbt. Das Signal wird immer schwächer, bis es so unbrauchbar minimal ist, um dem Verstärker auch nur das leiseste Tönchen zu entlocken. Diese „coolen Dinger“ sind halt oft über 60 Jahre alt und der Kristall im inneren des Elements sehr empfindlich – eine richtige Diva eben! Eine Übernachtung im Kofferraum, zu feuchtes oder zu trockenes Klima, zu warme oder zu kalte Temperaturen, führen zum sofortigen Streik. Auch einen Sturz auf den Boden, überleben diese Soundgiganten meistens nicht. Das ist beim HB52 anders, da es über eine dynamische Mikrofonkapsel verfügt und diese Mikrofonart sehr robust und unempfindlich gegen die oben genannten Einflüsse ist.
Das HB52, was zugleich von zwei großen Namen im Musikbusiness in Kooperation entwickelt wurde, lässt auf vieles hoffen, was sich die Mundharmonikagemeinde weltweit schon lange gewünscht haben dürfte. Zum einen Hohner, dem Top-Leader, mit dem Know-how der Mundharmonika-Welt, wie kein zweiter und dadurch in aller Munde und sE Electronics, be- kannt für kreative Mikrofontechnik, die ein hohes Maß an Sound- und Verarbeitungsqualität bieten.


Wenn man den kleinen Karton auf dem Tisch so sieht, wirkt er fast bescheiden. Beim Öffnen ergattert man einen Blick auf ein Säckchen, mit Kordel, auf dem die aufgeprägten Logos der beiden Kooperationspartner zu sehen sind, worin sich sicher verpackt das Harp Blaster 52 befindet. Wenn man dann das kleine Säckchen öffnet und das HB52 in Händen hält, fällt einem gleich die angenehm kleine Bauform auf. Es liegt angenehm in der Hand und ist beim ersten Cupping-Versuch eine wahre Freude. Wenn man die zumeist größeren Bullit Mic’s gewöhnt ist, umschließt sich das Harp Blaster 52 so leicht, dass man das Gefühl hat, für ein geschlossenes Cupping reicht fast schon eine Hand. Für junge Mundharmonikaspieler/innen und/oder „real Harp Player“, mit kleineren Händen, als ein ausgewachsener Gorilla, für die es immer sehr schwer war ein gutes Cupping zu erlernen, sie haben nun endlich eine Möglichkeit, den Weg zum verstärktem Mundharmonikaspiel zu finden.

Optik

Mit zirka 205 Gramm ist es echt nicht zu schwer, aber auch keinesfalls zu leicht. Es wirkt extrem wertig und sehr robust. Hier sind glücklicherweise verdammt viele der wünschenswerten Details von den alten, so geliebten Originalen harp mics eingeflossen, auf die heutzutage zumeist aus Kostengründen kein Augenmerk mehr gelegt wird. Für viele Harpspieler machen diese Details aber – neben dem Sound, den optischen Charm und Reiz der vintage harp mics aus.
Erster optischer Blickpunkt ist der Hammerschlaglack. Diese Oberflächenlackierung kennt man vor allem aus dem Maschinen- und Anlagenbau. Seine netzartige Struktur bietet eine gewisse Griffig- keit und sorgt auch dafür, dass man bei schwitzigen Händen während langer Sessions nicht den Halt verliert. Die satt aufgetragene Schicht schaut zudem auch noch recht ansehnlich aus.
Der zweite Hingucker ist der verchromte Grill, der so tief glänzt, wie die frisch polierte Stoßstange eines alten Cadillacs. Um 90 Grad gedreht betrachtet, erinnert es an den Grill eines doch sehr großen Astatic 200-S, was zwar viele Harper optisch sehr mögen, aber das selbst für Leute mit nicht so kleinen Händen, im Cupping schon eine Herausforderung darstellt. Seine flache Vorderseite dürfte sicher kein Zufall sein. Sie erleichtert enorm die Handeffekte und bietet die Möglichkeit, die stabilisierende Position des Mittelfingers, beim Halten vor dem Mikrofongrill einzunehmen, um das HB52, bei geöffnetem Cupping immer sicher im Griff zu halten. Liebe zum Detail erkennt man am genieteten und nicht geklebten Typenschild mit Modell- und Seriennummer an der Unterseite.

Verarbeitung

Die aus einem Guss geformte XLR-Buchse, mit vergoldeten Kontakten, garantiert einen sicheren Halt und beste Signalübertragung, eines überall zugänglichen Standard XLR-Kabels. Einige Harpspieler dürften sich bestimmt noch an das alte Hohner Blues Blaster erinnern, wozu man ein XLR-Kabel benötigte, was das Signal an einem anderen Kontakt, als ein Standard-XLR-Kabel hatte. Das ist nun Geschichte! Die Steckerverriegelung drückt auch nicht seitlich in den Handballen, sondern ist schön vom Spieler weggerichtet und stört so nicht beim Halten im Eifer des Gefechts. Der gerändelte und verchromte Knopf des Lautstärkepotentiometers sitzt an der Rückseite und ist mühelos zugänglich, läuft nicht zu schwer und nicht zu leicht, lässt sich super verstellen und macht keinerlei Geräusche.
Kein Wunder – das Lautstärkepotentiometer kommt aus dem Hause Bourns kommt, was deren Bauteile in diesem Segment für hohe Qualität stehen. Der Potiknopf schmiegt sich durch einen kleinen aber nicht ganz unwichtigen Gehäusekranz perfekt in den Mikrofonhauptkörper ein. Durch den verlängerten Gehäusekranz kann man beim Cupping das Mikrofon nicht aus Versehen verstellen – das kann etwa während wilder Handeffektgestikulierungen in einem Solo passieren. Oder wenn man leise gestellt im Hintergrund spielen will und versehentlich gegen das Poti kommt und plötzlich der Regler auf Vollgas steht, kann es peinlich sein, wenn in mitten einer Ballade dann ungewollt die Pferde mit einem durchgehen – ein kleines unauffälliges Detail mit einem großen Nutzen.


Praxis

Kommen wir nun zum wahren Soundcheck, mit der diatonischen 10-lochige Mundharmonika in Richter Stimmung, besser bekannt als Blues Harp. Als auch der chromatischen Mundharmonika, das sind die 10- bis 16-löchigen großen Brummer, mit einem Knöpfchen an der Seite, um jeden Ton einen Halbton höher erklingen zulassen und dadurch ergibt sich die Möglichkeit, auf ihr eine chromatische Tonleiter zu spielen. Für den eigentlichen Vergleichstest habe ich bewusst Verstärker aus verschieden Bauarten und Preisklassen gewählt, um eine breitere Aussage treffen zu können, was dieses neue HB52 nun kann oder eben nicht. Getestet habe ich das Harp Blaster 52 über eine PA-Anlage, diverse Verstärker aus dem Gitarrenbereich, als auch mit Verstärkern die speziell für die Mundharmonika, mit viel Liebe und Sachverstand, die in Holland bei Marbleamps gefertigt wurden.
Angefangen habe ich den Test mit kleinen Brüllwürfeln aus dem unteren Preissegment, Gitarrenamps wie dem Marshall MG10, Fender Champion 20, und dem Vox Pathfinder 10. Ich bin echt überrascht, wie vintagemäßig das HB52 so einfache kleine Transistorverstärker doch klingen lässt. Für Anfänger oder im Wohnzimmer echt zu gebrauchen.
Für die zweite Runde kam echte Röhrenpower zum Einsatz: ein Crate V8, Fender Silverface Champ und ein Fender Pro Junior. Holla, ja hier wird die Sache doch schon mächtiger und klingt nach dem Sound, den viele in sich hören, wenn sie an verstärkte Mundharmonika denken. Für kleine Gig’s, im Duo, im Studio und mit Band, die auf sich und ihre Musiker hört! Eine gut klingende Kombination aus dem HB52 und einem der drei Röhrenverstärker, wo von schrill bis mittig, leicht bassig alles möglich ist. Das Rückkopplungsverhalten, also das pfeifende quietschen, was wir alle so lieben, obwohl es Gitarrenamps sind, Grund ihrer großen Vor- stufenleistung eher schwieriger zu bändigen sind, je nach spielerischem Können, liefert das HB52 einen gutmütigen Sound ab und zeigt sich sehr vielseitig in dieser Kombination.

In der Testrunde mit Verstärkern speziell für Mundharmonikas kamen die drei Modelle Max, Harpwood und Harpmaster der Marke Marble zum Einsatz. Die drei Amps besitzen unterschiedliche Leistungsstufen, 7, 30 und 60 Watt, was sich auch auf den Sound auswirkt. Wow, bei den dreien merkt man, dass diese Amp’s für Harps gemacht sind. Das HB52 tritt dermaßen in die Vorstufen, dass die Verstärker nur so singen! Rückkopplung? Fehlanzeige! Der Basswums ist echt ordentlich, wenn man den will, von mellow bis harsch, von klarer bis stark verzerrend ist nahezu alles möglich. Und das sowohl sehr laut, als auch leise. Eine fast schon waffenscheinpflichtige Kombination, die eigentlich keine Wünsche offenlässt.
Kommen wir nun zum Spielen durch die PA-Gesangsanlage mit dem HB52. Sei es für die, die es etwas moderner und auch vielleicht poppiger oder natür- licher klingen lassen möchten. Zuerst schicke ich das Mikro direkt nur durch das Power-Mixer/Pult und nutze den internen Effektprozessor, mit etwas Reverb und dem HB52, bei geöffnetem Cupping, wirkt der Sound natürlich, gerade mit der chromatischen Mundharmonika klingt es sehr angenehm.
Mit einem kleinen Pedalboard bestückt mit Effektpe- dalen ist noch viel mehr möglich. Ich nutzte für den Test ein paar Zauberkisten von diversen Herstellern, wie etwa einen Lone Wolf Harp Octave, den Harp Break, den BBE Sonic Stomp und einen Boss FR1 Fender Reverb. Hierüber klingt das HB52 um einiges moderner und hat einen anderen Charakter. Man entdeckt ganz neue Möglichkeiten der Handeffekte beim Einsatz der Effektkisten. Eine tolle Methode, um dieses kleine Mikrofon großartig einzusetzen. Außerdem wird das Schleppen deines Equipments zum Auftritt um einiges leichter.


Während des Tests an den Verstärkern fiel mir besonders positiv das Verhalten des Mikrofonelements bei verschließendem und öffnenden Cuppings auf. Die Klangwiedergabe bei unterschiedlichen Verzerrungs- graden war phänomenal. Der Sound erinnerte mich stark, an meine eigene wohl selektierte Sammlung an vintage harp mics. Irgendwo zwischen einem mei- ner geliebten Shure Black Lable Controlled Reluctan- ce Element und einem meiner noch lebenden alten Cristals von Astatic. Laut Angaben des Herstellers eine eigene Entwicklung aus dem Hause sE Electronics.

Fazit

Mit dem sE Electronics Harp Blaster 52 finden Harpspieler ein sehr vielseitig einsetzbares Mikrofon, in das verdammt viel Know-How eingeflossen ist. Das zeigt sich unter anderem an den verwendeten Bauteilen, die einen reibungslosen Betrieb ermöglichen. Detailverliebtheit ist hier nicht nur eine Frage der Optik, die verwendeten Bauteile wie etwa das Mikrofonelement oder der Potentiometer tragen auch maßgeblich zur Qualität bei.
Die Kombination aus Vintage-Ästhetik in Sachen Look und Feel sowie modernen Features mit einem am Preis gemessenem unschlagbarem Sound machen das HB52 zu einem kleinen Kunstwerk.

Redaktion: Von Hendrik Südhaus, Soundcheck 09/20




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