Cranborne Audio EC1 - Mehrklangmacher

Der besondere Stand-Alone-Mikrofonvorverstärker

Heutige Audio-Interfaces mögen noch so leistungsfähig sein: Ein externer Mikrofonvorverstärker kann sich als entscheidender Mehrklangmacher erweisen. Das will jedenfalls der Camden EC1 von Cranborne Audio unter Beweis stellen.

Cranborne Audio ist ein noch junges britisches Unternehmen, das 2018 angetreten ist, um in der Pro Audio-Welt kräftig mitzumischen. Gegründet von vier ehemaligen Soundcraft-Mitarbeitern – allesamt begeisterte Musiker, Toningenieure und Klangfetischisten – erwies sich bereits der erste Wurf von Cranborne Audio als ein großer solcher: Der Camden Preamp 500, ein Mikrofon-Vorverstärker im 500er-Format, wurde vor allem in seinem Heimatland geradezu enthusiastisch gefeiert. Aus gutem Grund, denn der von Chef-Entwickler Edward Holmes erdachte Preamp ist ein auf höchste Signaltreue optimierter, sprich besonders sauberer und nebengeräuscharmer Vorverstärker und kräftig färbende Klangformungsmaschine in einem. Zwei diskrete, selbstverständlich analoge Sättigungsschaltkreise, die je nach Lust auf kreative Klangveränderung in den Signalweg eingeschliffen werden können, sind für einen Mehrklangeffekt in bester Vintage-Tradition zuständig. Die Cranborne Audio-Macher bewerben den Camden Preamp 500 schon von Anfang an als ideales Frontend fürs moderne Digital-Studio. Um dem Anwender beim kreativen Mikrofonieren zusätzliche Klangoptionen für die sensiblen Ohren und Fingerspitzen zu geben.

Nach dem gelungenen Einstieg blieben die Cranborne Audio-Leute hellwach, entwickelten mit den Modellen 500R8 und 500ADAT 500er-Racks mit USB beziehungsweise ADAT-Schnittstelle, um den Fans von 500er-Modulen gleich welcher Herkunft eine leistungsstarke Verbindung zur eigenen DAW bieten zu können. Hinzu kamen die Audio-Netzwerk-Signalverteiler N22 und N22H, die über das proprietäre Cranborne Audio-Protokoll C.A.S.T. Signale mittels Netzwerkkabeln – Cat 5, Cat 6 oder Cat 7 – über lange Strecken zu den eigenen Preamps schickt.

Das sind seit Kurzem nun auch die beiden Stand-Alone-Mikrofonvorverstärker Camden EC2, ein Zweikanaler und sein kleinerer Bruder, der einkanalige EC1. Eben der ließ sich nicht lange bitten, um uns im Rahmen eines Praxistests sein Können zu demonstrieren. Bevor wir uns ausführlich mit dem Gerät befassen, noch ein Wort zum Anschaffungspreis: Der beträgt knapp 700 Euro – der zweikanalige EC2 kostet konsequenterweise etwa das Doppelte – was aufs erste Lesen viel für erscheint. Allerdings – und wir können den Preamp drehen, wenden und unters Elektronenmikroskop legen – ist der EC1 tatsächlich „Made in England“. Das ist per se bemerkenswert, angesichts des dann doch vergleichsweise geringen Anschaffungspreises umso eindrucksvoller. Insoweit ist sich der Hersteller treu geblieben. Denn Cranborne Audio möchte auch künftig in England entwickelte und gefertigte Geräte zu erschwinglichen Preisen anbieten. Doch genug damit, wir wollen uns den Vorverstärker sogleich näher ansehen.

Klinisch rein oder magisch bunt

Dass solch günstige Preise nur mit einer kosteneffizienten Fertigung zu halten sind, versteht sich von selbst. Wenn wir das stabile Metallgehäuse öffnen, sehen wir, dass sich die wesentlichen Bauelemente auf zwei Platinen, einer kleinen und einer großen, dem „EC1 Base Board“. Wir haben es mit oberflächenmonierten Bauelementen, sogenannte S(urface)M(ounted)D(evices), zu tun, die im Unterschied zu Bauelementen der Durchsteckmontage eine kostengünstigere maschinelle Fertigung gestatten. Soweit ersichtlich, ist das Platinenlayout sehr sauber. Auch die übrigen Bauteile wie die Potis sind von ordentlicher, wenngleich nicht überragender Qualität. Deswegen muss sich niemand sorgen, denn Cranborne Audio verbaut durchaus Solides sehr solide und ist nicht nur in dieser Preisklasse in bester Gesellschaft. Wer es wirklich highendig will, muss auch direkt einige große Scheine mehr in die Hand nehmen – ohne Topklang-Garantie wohlgemerkt.

Deswegen verschließen wir den EC1 wieder und erkunden, was der Brite so zu bieten hat. Zunächst einmal haben wir es mir einem Vorverstärker im Camden-Design mit übertragerloser Front-End-Topologie zu tun. Tatsächlich handelt es sich um die jüngste Inkarnation des Erstlings von Cranborne Audio, der, zumindest ausweislich der Datenblätter, mit noch einmal verbesserten Messwerten und Leistungsdaten aufwarten kann.

Das ist insoweit beachtlich, als dass sich schon der Camden Preamp 500 in puncto Verzerrungen und Rauschverhalten als Saubermann erwiesen hat. Hinzu kommt eine sehr hohe Frequenz- und Phasenlinearität, auf die der Hersteller so dermaßen stolz ist, dass er sein Vorverstärker-Schätzchen mit einigen namhaften Mitbewerbern vergleicht – und seinem Spross die Krone aufsetzt. Da wir derlei erst einmal unter der Rubrik „Vergleichende Werbung“ ablegen, sei dazu nichts weiter gesagt. Was der EC1 wirklich kann, werden wir später ermitteln.

Wie bereits einleitend erwähnt, ist für das Camden-Design typisch, dass dem auf höchste Klangneutralität optimierten Preamp noch zwei Sättigungsschaltkreise beigeordnet sind, die das cleane Signal um harmonische Oberwellen anreichern. Der Hersteller wählt hierzu den Begriff „Mojo“, der im Musikbereich im Allgemeinen für eine nicht näher zu fassende Magie in Klang und akustischen Erscheinungsbild steht.

Wer kein Mojo will, belässt den Drehregler auf der Front des EC1 in der Off-Stellung. Dann verstärkt der Vorverstärker lediglich die anliegenden Signale. Das können – klar – Mikrofonsignale, Line- oder Instrumenten-Signale, namentlich die von hochohmigen passiven E-Gitarren und E-Bässen sein. Ein Kippschalterchen dient der Einrichtung des Preamps beziehungsweise der Impedanzanpassung. Selbstverständlich stellt der EC1 auch die 48 Volt-Phantomspannung für den Betrieb eines Kondensatormikrofons bereit. Eine LED informiert über die Aktivierung. Eine weitere einsame LED kündet dem Anwender vom Anliegen eines Signals und warnt in Rot vor Übersteuerung. Eine opulentere Anzeige wäre wünschenswert, aber dafür fehlt es letztlich auch am Platz. Denn die Front des Geräts im halben Rackformat ist so schon – wir werden es bald sehen - vollgepackt genug.

Doch zurück zur gar nicht geheimnisvollen Mojo-Funktion. Das Camden-Design lässt dem Benutzer die Wahl zwischen zwei Sättigungsschaltkreisen mit jeweils eigener Klangsignatur. So soll „Thump“ eher die Sättigung alter Transistor-Geräte mit einer gewissen Betonung der tiefen Frequenzen emulieren, während „Cream“ röhrenähnliche harmonische Oberwellen und mehr Luftigkeit in den Höhen dem Klang beimischt. Dabei lässt sich der Mojo-Anteil stufenlos über das sensibel reagierende Poti regeln. Auf eine „englische Einstellung“ – Regler auf Rechtsanschlag – solltet ihr aber verzichten – es sei denn, ihr wünscht aus klangästhetischen Gründen ein deutlich verzerrtes Crunch-Signal.

Signalaufbereiter mit Sättigungsbeilage

Schön ist, dass sich alle Signale, die der Preamp verarbeiten kann, anreichern lassen. So lässt sich beispielsweise ein cleanes E-Gitarrensignal oder auch ein E-Pianoklang vor dem nachgeschalteten Lautsprecher, Verstärker oder dem Audio-Interface aufbereiten.

Apropos Audio-Interface: Obschon der EC1 wie jeder analoge Mikrofon-Vorverstärker einsetzbar ist, verstehen ihn seine Schöpfer als ideales Front-End für das kleine Desktop-Studio, welches in der Regel von einem Audio-Interface und dem Audio-Rechner dominiert wird. Dabei ist die eben beschriebene klangliche Aufbereitung der Signale nur ein Anwendungsgebiet.

Da der EC1 Mikrofonsignale mit maximal 68 dB verstärken kann, ist er kraftvoll genug, um auch flüsterleisen Sensibelchen wie passiven Bändchenmikrofonen hörbar und nebengeräuscharm Singen zu lassen. Denn bei so gut kostengünstige Audio-Interfaces und ihre Preamps inzwischen sein mögen: Sobald es gilt, leise Signale hoch zu verstärken, kommen die Interface-Preamps an ihre Grenzen. Ganz konkret ist es vorbei mit der klinischen Sauberkeit. Es rauscht gar schröcklich und so manches Bändchenmikrofon oder Tauchspulenmikrofon wird zu Unrecht als unbrauchbar aussortiert. Sicher, sogenannte Signal-Booster können Abhilfe schaffen, allerdings sind unerwünschte Klangverfärbungen zumindest nicht auszuschließen. Immerhin ist der Interface-Preamp weiterhin aktiv. Wer wirklich nur Quelle und Mikrofon als Primärklanglieferant haben möchte, kommt mittelfristig um einen guten, sprich sauberen Preamp nicht herum.

Ihr seid noch nicht überzeugt? Der EC1 hat noch ein Eisen im Feuer: Seine Monitoringsektion. Deren Herzstück ist ein kraftvoller Kopfhörerverstärker, der laut Hersteller „Referenzqualität“ habe. Nun, Bescheidenheit gehört nicht unbedingt zu den Kerntugenden der Cranborne-Macher. Wiewohl ein guter Kopfhörerverstärker – Stichwort Monitoring – in jedes Studio, als auch ins kleine Desktop-Studio gehört.

Der EC1 lässt sich gezielt als Kopfhörerverstärker einsetzen, denn er verfügt über einen Stereo Aux-Eingang, um das vom Rechner kommende und vom Audio-Interface ausgegebene Signal zu verarbeiten und an den Studio-Kopfhörer der Wahl zu schicken. Damit nicht genug, lassen sich auch völlig latenzfreie Cue-Mixes für die Aufnahme – wir denken an das Einsingen einer Gesangslinie oder das Einspielen eines Instrumental-Solos – erstellen. Zugespieltes Playback und die vom Preamp verstärkten Eingangssignale lassen sich mittels dezidierter Regler aufeinander fein abstimmen. Sogar ein Effektgerät, beispielsweise ein Hallgerät lässt sich problemlos einschleifen, was Sänger und Instrumentalisten gleichermaßen lieben werden. Wer bisher nur den Trick der Einsteiger-Interfaces kennt, das DAW-Signal mit dem Preamp-Signal via Schnittstellen-Regler zu kombinieren, um die leidigen Latenzen zu umgehen, wird bei der Arbeit mit dem EC1 vor Freude jauchzen und jubilieren. Das Beste dabei: Der EC1 ist ein analoges Gerät das auch bei Aufrüstung der Digital-Komponenten einsetzbar bleibt.

Ach ja, selbstverständlich verfügt der EC1 auch C.A.S.T.-Schnittstelle und kann seine Signale über den rückwärtigen C.A.S.T.-Out an andere Geräte mit C.A.S.T-IN schicken. Schade allerdings, dass der EC1 – anders als sein großer Bruder EC2 – nicht über einen C.A.S.T.-IN verfügt, was die Monitoring-Möglichkeiten noch erweitert hätte.

Rauf auf den Desktop

Der EC1 ist als Desktop-Gerät konzipiert und werksseitig bereits mit – abnehmbaren – Gummifüßchen ausgestattet. Den Lebenssaft, sprich Strom, bezieht er von einem externen Netzteil, was nicht nach jedermanns Geschmack ist. Aber: Ein externes Netzteil muss nicht zwingend von Nachteil sein, kann sogar signalverderbende Einstreuungen ausschließen, sofern es selbst von guter, rauscharmer Qualität ist. Die Verbindung von EC1 und Netzteil wird über eine vertrauenerweckende Vier-Pol-Buchse hergestellt und erweist sich ausweislich unserer Erfahrungen als stabil und bruchsicher.

Wenn wir davon ausgehen, dass der EC1 eher seltener ins Audio-Rack geschraubt werden wird, ist es kein Nachteil, dass sich die XLR-Buchse zum Anschluss von Mikrofonen sowie der Dämpfungsschalter für das Ausgangssignal – wichtig für die Anpassung an ein nachgeschaltetes Interface – auf der Geräterückseite befinden. Vorsicht ist beim Wechsel von Mikrofonen, namentlich dem Tausch eines Kondensatormikrofons gegen ein passives Bändchen, geboten. Denn auch wenn die Phantomspannung via Kippschalter deaktiviert wird, liegt noch eine Weile Restspannung an. Die kann gegebenenfalls einem Bändchenmikrofon Schaden zufügen. Deswegen ist darauf zu achten, dass die nach Deaktivierung der Phantomspannung noch eine Weile in Gelb leuchtende LED vollständig erloschen ist. Die Kurzanleitung weist darauf hin und sollte deswegen auch von alten Häsinnen und Hasen eines konzentrierten Blicks gewürdigt werden.




Ansonsten gestaltet sich die Aufnahmepraxis mit dem EC1 weitgehend problemlos. Die Vorverstärkung wird mittels eines in 5 dB-Schritten gerasteten Potis eingestellt, die Signalstärke lässt sich über die rudimentäre Anzeige erahnen. Ansonsten müssen eben die Ohren ran – einen Kopfhörerverstärker hat der EC1 schließlich an Bord. Genau, ihr wollt wissen, wie der so klingt? Sehr beachtlich, ohne allerdings Referenzqualität zu haben. Denn im direkten Vergleich mit einem Spitzen-HPA wie dem Violectric HPA V200 wird klar, dass in puncto Neutralität und Impulstreue noch ein zwei Handbreit Luft nach oben sind. Aber der Kopfhörerverstärker des EC1 macht seine Sache gut, treibt auch einen eher leisen Hörer wie den AKG K 702 Studio an, ohne dass störende Nebengeräusche zu ermitteln wären. Mit den Kopfhörerverstärker der Wandler Mytek 8 x 192 ADDA und Mytek Stereo192-DSD DAC ist der des Briten sogar auf Ohrhöhe – und die liegt definitiv überdurchschnittlich hoch.

Apropos Mytek: Wer gerne klotzt, muss sich an seinen Worten messen lassen. Weswegen der EC1 gegen unseren Referenz-Preamp, den Lake People Mic-Amp F355 antreten muss. Dabei besorgt die Digitalisierung der Top-Wandler Mytek 8 x 192 ADDA, dessen Digital-Signale final nochmals vom Mutec MC3+USB aufbereitet, sprich ge-re-clockt werden. Aufnahmen erstellen wir mit einer ausgesprochen klangstarken Konzertgitarre aus der Werkstatt Martin Bretschers/Soul-Guitars, die als Schmankerl zusätzlich über einen passiven Piezo-Tonabnehmer verfügt. Als Mikrofon der Wahl kommt das mächtige Sennheiser MKH40 zum Einsatz sowie das passive Bändchenmikrofon MXL R144 – nacheinander, immerhin haben wir es mit einem Einkanaler zu tun.

Tatsächlich macht der EC1 seine Sache richtig gut: Bleibt die Mojo-Funktion außen vor, erweist er sich als neutraler Preamp der Gattung Draht mit Verstärkung, der zumindest in puncto Nebengeräuschverhalten dem Lake People nicht nachsteht. Allerdings wirken die EC1-Aufnahmen ein wenig eindimensionaler, ein Quäntchen weniger lebendig. Bitte nicht falsch verstehen: Es handelt sich um die feinen Nuancen, die ein sehr gutes Audio-Gerät von einem Spitzengerät unterscheiden. Dem EC1 einen flachen, weniger detailgenauen Klang zu unterstellen ist nach unseren Erfahrungen unangemessen.

Der HiZ-Eingang des britischen Preamps ist ebenfalls klasse – und enthebt den Anwender des Einsatzwangs einer DI-Box. Bei der Aufnahme Lake-People/Mikrofon und EC1/DI-Signal gefällt uns der Mischklang aus mikrofonierter Gitarre und dem Tonabnehmersignal so gut, dass wir gleich noch zwei Aufnahmen anfertigen. Speziell für das Tonabnehmersignal erweist sich die Mojo-Funktion als ohrenschmeichelnde Klangverschönerin. „Cream“ dezent- Reglerstellung auf 10 Uhr – beigemischt sorgt für röhrenähnliche Wärme und Luftigkeit, während „Thump“ dem Klang von Preamps mit Germanium-Transistoren recht nahe kommt. Da ziehen wir doch direkt den Bowler und bemerken abschließend: „Alle Achtung, Mylord. Mit Euch Briten ist eben doch zu rechnen.“

Fazit

Der Camden EC1 von Cranborne Audio ist ein bemerkenswerter Vorverstärker: Er kann als Signallieferant ohne Eigenklang ebenso überzeugen wie als Klangformer. Damit alleine empfiehlt er sich als Mehrklangmacher für das Desktop-Studio. Zusätzlich punktet er mit seinem guten Kopfhörerverstärker und der leistungsfähigen Monitoring-Sektion, die ihn zum kompetenten Front-End für Audio-Interfaces mit schwachen Preamps und Kopfhörerausgängen machen.


Redaktion und Fotos: Harald Wittig, Professional Audio Juli 2022



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