Voyage Audio Spatial Mic
Rundumklang mit einem Mikro
So schön Immersive Audio auch ist, der Aufwand solcher Aufnahmen ist doch gewaltig. Schließlich wird für jeden immersiven Kanal ein respektives Mikrofon benötigt; da ist man schnell bei acht oder mehr Mikrofonen, während in einem klassischen Mono-Setup eins gereicht hätte. Mikrofone wie das Spatial Mic von Voyage Audio sind eine kompakte Alternative zu großen Recording-Setups. Im Inneren des Mikrofons befinden sich acht im Ambisonics-Format angeordnete Mikrofonkapseln, die eine gleichmäßige Abbildung räumlicher Klänge versprechen.
Was ist das eigentlich?
Zu Beginn wollen wir uns einmal kurz den Grundlagen der Ambisonics widmen. „Kurz“ heißt in diesem Fall: sehr stark vereinfacht. Ambisonics sind ein sehr komplexes Thema und genauer ins Detail zu gehen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Das technische Verfahren an sich ist nicht neu. Es beruht auf Forschungen der Oxford University aus den sechziger Jahren.
3D-Audio-Formate wie Auro 3D oder Dolby Atmos sind im einfachsten Sinne erweiterte Stereo-Formate mit mehr Lautsprechern und entsprechend mehr Kanälen. Somit lassen sich Richtungsinformationen in allen drei Ausdehnungs-Dimensionen, also inklusive der Höhe, abbilden. Im Unterschied dazu wird bei Ambisonics keine Lautsprecheraufstellung abgebildet, sondern die Intensität und Richtung einer Schallquelle aufgezeichnet. Für die Wiedergabe muss eine Ambisonics-Aufnahme entsprechend konvertiert werden, beispielsweise ins Auro-3D-Format oder in ein binaurales Ausgabeformat für Kopfhörerwiedergabe. In der einfachsten Variante kommen bei Ambisonics vier Kanäle zum Einsatz, einer für den Summenschalldruck W und drei für die Richtungsinformationen der X-, Y- und Z- Achsen. Bei Ambisonics zweiter Ordnung kommen in der Regel neun Kanäle zum Einsatz. Da die Zahl Neun pragmatisch oft etwas ungünstig ist – viele Field Recorder kommen nur auf acht Aufnahmekanäle – hat man Mikrofonanordnungen entwickelt, die Ambisonics zweiter Ordnung auch mit acht Mikrofonen ermöglichen. Und auf diesem Prinzip baut das Spatial Mic von Voyage Audio auf.
Übersicht
Auf den ersten Blick wirkt das Spatial Mic wie ein ganz gewöhnliches USB-Großmembran-Mikrofon, wie es gerne von Podcastern verwendet wird. Das dunkle Kunststoffgehäuse, der schwarze Metallgrill und der große Drehregler in der Mitte unterstreichen diesen Eindruck. Der Drehknopf wird von einem großen LED-Ring umrandet. Lediglich die Anschlüsse machen stutzig, denn ein USB-Mikrofon, das auch über einen ADAT-Anschluss verfügt, ist doch eher selten. Dieser Umstand ergibt sehr viel mehr Sinn, wenn man sich das Innere genauer anschaut. Denn das Spatial Mic ist ein vollwertiges Ambisonics-Mikrofon zweiter Ordnung mit insgesamt acht hochwertigen Mikrofonkapseln. Die Signale der Mikrofone lassen sich über USB oder ADAT übertragen, beide Schnittstellen funktionieren aber auch unabhängig voneinander. So könnte man beispielsweise das Mikrofon via ADAT in ein bestehendes Studio-Setup integrieren, was vor allem für Musiker interessant sein dürfte, und parallel dazu die Audiosignale via USB auf einen weiteren Rechner übertragen, etwa für einen Live-Stream.
Inbetriebnahme
Mit einem maximalen Schalldruck von 131 dB SPL gibt das Spatial Mic auch vor Drumset oder Gitarren-Amp eine gute Figur ab. Im mobilen Einsatz kann das Mikrofon einfach von einer handelsüblichen USB-Power-Bank mit Strom versorgt werden – sehr praktisch! Da das Mikrofon gleichzeitig auch ein bidirektionales Audio-Interface beinhaltet, lässt sich über den integrierten Kopfhöreranschluss direkt abhören, was man aufnehmen möchte. Im USB-Betrieb werden Audiosignale direkt im Mikrofon gewandelt und mit maximal 96 kHz und 24 Bit übertragen. Verwendet man den ADAT-Anschluss, stehen lediglich Abtastraten bis 48 kHz zur Verfügung. Es sei noch angemerkt, dass Voyage Audio keinen Treiber für das Spatial Mic anbietet. Unter Mac OS ist der schlichtweg nicht notwendig, da das Gerät „class compliant” ist, für den Betrieb unter Windows wird von Voyage Audio der ASIO4ALL-Treiber empfohlen.
Digitale Klangformung
Das volle Potential des Mikrofons lässt sich allerdings erst richtig durch die zugehörige Software ausreizen. Es stehen zwei Plugins zur Verfügung. Spatial Mic Control und Spatial Mic Converter. Mit der Control-Software lassen sich bequem Parameter wie Gain, die Lautstärke des Kopfhörerausgangs sowie das Mischverhältnis zwischen DAW und Mikrofonsignal einstellen. Spatial Mic Converter konvertiert die rohen Mikrofonsignale des Spatial Mic wahlweise in Ambisonics erster oder zweiter Ordnung. Spannend ist auch das Virtual Mic Feature: Das Plugin kann aus den Audiosignalen jede erdenkliche Mikrofoncharakteristik klassischer Mikrofone berechnen. So lässt sich beispielsweise nach einer Aufnahme noch die Richtcharakteristik und damit der Klangcharakter verändern. Auch die Richtungsorientierung sowie der Neigungswinkel lassen sich so virtuell verändern.
Wie ein Audio-Radar
Als erstes will ich das Spatial Mic auf seine Studiotauglichkeit überprüfen. Und zwar sowohl über ADAT direkt an meinem RME Fireface als auch über USB. Die Installation der Software und die Einrichtung am Computer gehen spielend leicht von der Hand. Das Mikrofon wird in der Mitte des Raumes platziert, danach werden nacheinander verschiedene Instrumente in verschiedenen Ecken des Raumes aufgenommen. Was sofort auffällt, ist die wirklich genaue, räumliche Abbildung der Instrumente. Wenn ich die Augen schließe, vergesse ich erschreckend schnell, dass ich Kopfhörer trage. Die Gitarre klingt natürlich, der Raum wird gleichmäßig und authen- tisch abgebildet. Bei einer Schlagzeugaufnahme probiere ich die Möglichkeiten des virtuellen Mikrofons im Spatial Mic Converter aus und ich bin schwer beeindruckt. Allein die Möglichkeit, die Ausrichtung und Richtcharakteristik des Mikrofons jederzeit verändern zu können, liefert ganz neue Möglichkeiten der kreativen Klanggestaltung. Die Handhabung des Plugins ist sehr einfach und zielführend. Auch bei Atmo-Aufnahmen mitten im Berliner Stadtlärm überzeugt mich das Spatial Mic durchweg. Die Aufnahmen klingen authentisch und realistisch, die Ortung einzelner Schallquellen ist sehr realitätsgetreu.
FAZIT
Was das Spatial Mic von Voyage Audio klanglich abliefert, ist sehr beeindruckend. Das Gerät ist gut durchdacht und bringt in einem kompakten Gehäuse einen bemerkenswerten Funktionsumfang mit. Toningenieure, die im Bereich Sounddesign für Film und Videospiele unterwegs sind, werden ihre wahre Freude mit dem Gerät haben. Aber auch für ambitionierte Musiker und Klangkünstler kann das Spatial Mic ein kreatives Werkzeug sein. Bei einem Preis von knapp über 1000 Euro ist das Spatial Mic aktuell konkurrenzlos.
Redaktion: Manuel Knigge, Soundcheck 03/21
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